Bei der Übernahme eines Maklerbestands werden nicht nur Kunden mit aktiven Versicherungsverträgen in die Betreuung übernommen, sondern auch Unterlagen von ehemaligen Kunden, darunter zahlreiche gekündigte oder stornierte Verträge sowie andere Willenserklärungen wie Kündigungen und Widerrufe – oft in Papierform. Daraus ergibt sich die Frage: Ist der übernehmende Makler verpflichtet, diese Unterlagen aufzubewahren, oder darf er sie vernichten?
Antwort: Alte Versicherungsverträge müssen nicht aufbewahrt werden; ratsam ist es trotzdem.
Rechtsnachfolge im Zusammenhang mit der Bestandsübertragung
Zum besseren Verständnis vorab: Die Übertragung von Maklerbeständen und die damit häufig einhergehende (Gesamt-)Rechtsnachfolge kann entweder im Rahmen einer Unternehmensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz oder unabhängig davon als reiner rechtsgeschäftlicher Übertragungsakt (Vertragsübernahme) erfolgen. Dabei gehen die damit verbundenen Rechte und Pflichten aus dem übertragenen Maklerbestand oder den Kundenbeziehungen auf den übernehmenden Makler bzw. die übernehmende Maklergesellschaft über.
Übertragung der Pflicht zur Aufbewahrung nach HGB und AO
Im Zuge einer Bestandsübertragung gehen in der Regel auch die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten für gewisse Dokumente und Unterlagen auf den Erwerber über. Die Aufbewahrungspflicht gilt insbesondere für Handels- und Geschäftsbriefe, einschließlich der Geschäftskorrespondenz mit Kunden, Versicherern und anderen Kooperationspartnern wie Untervermittlern, Tippgebern und Maklerverbünden/-pools.
Aufbewahrungsfristen von sechs oder zehn Jahren
Die vorgenannten Dokumente (Handels- und Geschäftsbriefe, Geschäftskorrespondenz mit Kunden, Versicherern, Kooperationspartnern) sind gemäß § 257 HGB und § 147 AO sechs Jahre lang aufzubewahren. Die zehnjährige Frist gilt hingegen für Buchungsbelege wie Courtageabrechnungen und -gutschriften. Dabei ist es unerheblich, ob die Kundenverbindung noch besteht oder das Versicherungsvertragsverhältnis bereits beendet wurde. Die Aufbewahrungsfrist beginnt am Ende des Kalenderjahres, in dem der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt wurde. Dasselbe gilt für Courtageabrechnungen und -gutschriften.
Definition von Handels- und Geschäftsbriefen
Handelsbriefe im Sinne von § 257 Abs. 2 HGB sind Schriftstücke, die sich auf ein Handelsgeschäft beziehen. Nach § 343 HGB zählen dazu alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Da auch einseitige Handelsgeschäfte gemäß
§ 345 HGB als Handelsgeschäfte gelten, umfasst dies auch die Korrespondenz mit geschäftlichem Inhalt an oder von Privatpersonen.
Geschäftsbriefe hingegen umfassen alle schriftlichen (nicht mündlichen) Mitteilungen eines Kaufmanns über geschäftliche Angelegenheiten nach außen. Der Begriff Geschäftsbrief ist daher weiter gefasst als der Handelsbrief. Unabhängig von der äußeren Form zählen
z. B. auch Faxe, E-Mails und Postkarten als Geschäftsbriefe (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., München 2018, § 37a, Rz. 4).
Beachtung der Aufbewahrungspflichten nach dem GwG
Auch Versicherungsvermittler (§ 59 VVG) sind nach dem Geldwäschegesetz (GwG) verpflichtet, Aufzeichnungen zur Identifizierung von Kunden aufzubewahren (§ 8 GwG). Diese Aufzeichnungen müssen fünf Jahre lang aufbewahrt werden.
Da das HGB und die AO jedoch längere Aufbewahrungsfristen vorsehen, gelten in diesen Fällen die längeren Fristen von sechs bzw. zehn Jahren (Zentes/Glaab [Hrsg.], GwG, 2. Aufl., Frankfurt a. M., 2020, § 8, Rz. 36 f.). Daher müssen auch Unterlagen nach dem GwG im Zusammenhang mit dem übernommenen Maklerkundenbestand entsprechend aufbewahrt werden.
Aufbewahrung in digitaler Form möglich
Die Unterlagen können sowohl in Papierform als auch digital, etwa durch Einscannen und Speichern auf Bild- oder anderen Datenträgern, aufbewahrt werden. Wichtig ist, dass sie während der gesamten Aufbewahrungsfrist zugänglich bleiben und jederzeit innerhalb einer angemessenen Frist lesbar gemacht werden können, beispielsweise durch einen Ausdruck (§ 257 Abs. 3 HGB, § 147 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 8 Abs. 3 GwG). Entscheidend ist die bildliche oder inhaltliche Übereinstimmung mit dem Original, um die besondere Beweisfunktion der Unterlagen zu gewährleisten. Eine formatgetreue Wiedergabe ist nicht zwingend erforderlich; entscheidend ist allein die Lesbarkeit ohne zusätzliche Hilfsmittel.
Geeignete Bild- und Datenträger umfassen z. B. Fotokopien, Mikrofilm, Computerfestplatten, CD-ROMs, Disketten und USB-Sticks. Im Rahmen des GwG kann z. B. eine Kopie des Ausweises des Kunden als Aufzeichnung dienen.
Aufbewahrung alter Verträge ‒ Keine Pflicht, aber empfehlenswert
Die Versicherungsverträge werden direkt zwischen Versicherern und ihren Kunden (Versicherungsnehmern) abgeschlossen, wobei der Makler lediglich vermittelnd tätig ist. Daher zählen Versicherungsverträge nicht als Handels- oder Geschäftsbriefe des Maklers im Sinne des HGB und der AO. Somit bestehen für Makler keine speziellen Aufbewahrungspflichten für gekündigte oder stornierte Versicherungsverträge.
Jedoch gilt die Korrespondenz zwischen Makler und Kunden sowie zwischen Makler und Versicherern als Handels- bzw. Geschäftsbriefe. Diese muss daher gemäß den zuvor erläuterten Grundsätzen aufbewahrt werden.
Hinweis für die Praxis: Alle Versicherungsunterlagen sollten entsprechend der Aufbewahrungsfristen aufbewahrt werden. Das gilt insbesondere für den Versicherungsvertrag, da dieser die Grundlage aller damit im Zusammenhang stehenden Handels- und Geschäftsbriefe ist. Gleiches gilt außerdem für den Versicherungsschein sowie sämtliche Nachträge, Änderungsmitteilungen und Versicherungsbedingungen.
Ferner gibt es einen weiteren wichtigen Grund, warum die Unterlagen aufbewahrt werden sollten: Nach Beendigung des Maklermandats haben die übernommenen (Ex-)Kunden – wenn auch nur gegen Ersatz der entstandenen Aufwendungen – einen Anspruch auf die Herausgabe aller Unterlagen, die der Makler zur Ausführung des Auftrags erhalten und im Rahmen der Geschäftsbesorgung, etwa von Versicherern, erlangt hat (§ 667 BGB).
Zusätzlich muss dem (Ex-)Kunden auf Verlangen Rechenschaft über die Auftragsausführung gegeben werden, und es muss eine Übersicht über das besorgte Geschäft bereitgestellt werden (§ 666 BGB). Aus diesem Grund ist es ratsam, auch vermeintliche „Papierleichen“ gemäß den geltenden Aufbewahrungsfristen aufzubewahren.
Fazit: Makler sind nicht dazu verpflichtet, alte (übernommene) Versicherungsverträge aufzubewahren. Dies gilt allerdings nicht für die dazugehörende Geschäftskorrespondenz. Aus diesem Grund sollten auch die alten Versicherungsverträge aufbewahrt werden. Zwar haben Makler keine handels-, steuer- oder strafrechtlichen Konsequenzen zu fürchten, dennoch sollte die Aufbewahrung dieser Unterlagen ernst genommen werden. Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht gelten nach dem GWG nämlich als Ordnungswidrigkeit. Außerdem können ehemalige Kunden Schadensersatzansprüche geltend machen, sollte der Makler mangels Aufbewahrung nicht in der Lage sein, dem Herausgabeanspruch des ehemaligen Kunden nachzukommen.