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Wenn der Versicherungsnehmer eine Frage im Antrag falsch beantwortet, beispielsweise zur Abgabe einer Vermögensauskunft, weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält, stellt das OLG Dresden klar, dass dennoch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vorliegt (OLG Dresden, 18.4.24, 4 U 67/24, Abruf-Nr. 241829).

 

Versicherungsnehmer muss vorsätzlich gehandelt haben

Nach der Entscheidung des OLG Dresden muss der Versicherungsnehmer bei einer falschen oder unvollständigen Antwort auf eine Frage vorsätzlich gehandelt haben. Zwar trägt der Versicherer die Beweislast für eine Obliegenheitsverletzung, jedoch trifft den Versicherungsnehmer eine Substanziierungslast. Das bedeutet, der Versicherungsnehmer muss die Umstände, die zu der Obliegenheitsverletzung geführt haben, darlegen und einer Überprüfung zugänglich machen. Dies schließt insbesondere die Gründe für etwaige objektive Falschangaben ein (vgl. OLG Celle, 30.11.17, 8 U 27/17).

 

Voraussetzungen für die Arglist

Der Versicherungsnehmer muss zudem arglistig gehandelt haben. Nach der Entscheidung des OLG Dresden liegt Arglist vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und absichtlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Das bedeutet, der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt haben und dabei wissentlich gegen die Interessen des Versicherers handeln, indem er damit rechnet, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Leistungspflicht des Versicherers, oder deren Umfang, haben könnte.

Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, beispielsweise um Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu vermeiden oder die Regulierung zu beschleunigen. Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung beeinflussen könnte (BGH VersR 13, 175 (176) Rn. 29). Dies kann auch das Vermeiden von Beweisschwierigkeiten, das Beschleunigen der Regulierung oder das Verhindern von „unnötigem Sand im Getriebe“ der Regulierung umfassen (OLG Hamm VersR 12, 356). Es geht also darum, dass der Versicherungsnehmer versucht, die Entscheidung des Versicherers in einer Weise zu beeinflussen, die seinen eigenen Interessen dient und dem Versicherer möglicherweise schadet.

 

Hinweis: Es ist unerheblich, dass der Versicherungsnehmer als rechtlicher Laie seine finanzielle Situation möglicherweise nicht als relevant für die gestellten Fragen ansieht. Eine solche Bewertung liegt nicht in seinem Ermessen. Er ist verpflichtet, alle zulässigen und eindeutig verständlichen Fragen zu beantworten, auch wenn er den erfragten Umstand für sich selbst als unerheblich betrachtet.

 

Der Versicherungsnehmer muss gemäß § 28 Abs. 4 VVG ausreichend über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten informiert worden sein. In Fällen von Arglist kann diese Belehrung jedoch möglicherweise nicht mehr von Bedeutung sein (vgl. BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn. 226).

 

Darlegungs- und Beweislast

Der Versicherer trägt die Beweislast für das arglistige Handeln des Versicherungsnehmers. Es reicht nicht aus, aus wissentlich falschen Angaben ohne Weiteres auf Arglist zu schließen, insbesondere im Zusammenhang mit Aufklärungsobliegenheiten im Schadensfall. Oftmals werden unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, Trägheit oder der Annahme heraus gemacht, dass sie keine Bedeutung haben (BGH, 4.5.09, IV ZR 62/07).

Jedoch hat der Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast, wenn objektiv falsche Angaben vorliegen. In einem solchen Fall muss der Versicherungsnehmer schlüssig erklären, wie und warum es zu diesen falschen Angaben gekommen ist (BGH, 11.5.11, IV ZR 148/09).

 

Ausnahme: Leistungsfreiheit des Versicherers ist unbillig

Die völlige Leistungsfreiheit des Versicherers kann unter bestimmten Umständen unbillig sein. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB kann dem Versicherer die Inanspruchnahme der vollständigen Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich verwehrt werden, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellt. Diese Härte ist jedoch nur in besonders außergewöhnlichen Fällen gegeben.

Eine solche Ausnahme kann eintreten, wenn die Täuschung lediglich einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und darüber hinaus weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers berücksichtigt werden.

Hinweis: Eine feste Bruchteilsgrenze für die Anwendung der Unbilligkeitsregelung gibt es nicht. Vielmehr hängt die Entscheidung davon ab, welche konkreten Beträge und Umstände im jeweiligen Sachverhalt vorliegen. Die Einschätzung erfolgt individuell basierend auf den spezifischen Gegebenheiten des Falls.

 

Da die Vertragspartner bei der Schadensermittlung nach einem Versicherungsfall besonders auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen sind, soll der Versicherungsnehmer durch das Androhen einer strengen Sanktion davon abgehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (vgl. OLG Rostock, Hinweisbeschluss vom 08.01.2020, 4 U 136/19, Rn. 20).