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Beispiel: In der letzten Augustwoche 2023 hat ein Makler eine Kündigung für einen Versicherungsvertrag eingereicht und dabei eine Kopie der Vollmacht des Kunden beigefügt. Ferner bot er dem Versicherer an, das Originaldokument in seinem Büro zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Nun hat der Versicherer die Kündigung als ungültig abgelehnt. Ist diese Entscheidung berechtigt?

Grundsatz: Originalvollmacht ist zwingend erforderlich

Obwohl es gängige Praxis ist, dass Versicherer eine Kopie der Maklervollmacht bei Kündigungen akzeptieren, stellt sich die rechtliche Situation etwas anders dar: Eine wirksame Kündigung im Namen des Kunden ist nur möglich, wenn dem Versicherer die Originalvollmacht vorgelegt wird. Wird lediglich eine Kopie, eine beglaubigte Abschrift, ein Fax oder das Angebot, das Original in den eigenen Räumen einzusehen, eingereicht, kann der Versicherer die Kündigung rechtmäßig zurückweisen (§ 174 S. 1 BGB). Es gibt allerdings zwei Ausnahmen von dieser Regel.

1. Ausnahme: Das Verhalten des Versicherers in der Vergangenheit

Falls Sie eine Kündigung ohne Originalvollmacht eingereicht haben, ist noch nicht alles verloren. Hat der Versicherer in der Vergangenheit Ihre Handlungen als Makler ohne Vorlage der Originalvollmacht stets anerkannt, könnte es in diesem Fall als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet werden, wenn der Versicherer die Kündigung plötzlich wegen der fehlenden Originalvollmacht als unwirksam zurückweist. Diesen Grundsatz hat das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem Fall aufgestellt, bei dem ein Versicherungsagent die Kündigung seines Agenturvertrags wegen angeblich fehlender Vollmacht anfechten wollte. Dieser Grundsatz hat allgemeine Gültigkeit und dürfte ebenso auf das rechtliche Verhältnis zwischen Versicherungsmakler und Versicherer Anwendung finden (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.02.2002, Az. 1 U 680/01 ‒ 157, Abruf-Nr. 020526).

2. Ausnahme: Verspätete Rückmeldung des Versicherers

Sollte der erste Ausnahmefall nicht zutreffen, gibt es einen weiteren wichtigen Punkt: Der Versicherer ist verpflichtet, eine Kündigung ohne Originalvollmacht unverzüglich zurückzuweisen, wenn er diese nicht akzeptieren möchte (§ 174 BGB). „Unverzüglich“ bedeutet, dass die Rückmeldung ohne schuldhaftes Zögern und innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss. Erfolgt die Zurückweisung nicht oder erst nach Ablauf der Frist, gilt die Kündigung als wirksam.

Hinweis: Das Oberlandesgericht Hamm hält eine Überlegungsfrist von ein bis zwei Tagen für angemessen. Eine Rückmeldung nach vier Tagen wurde als verspätet betrachtet, was dazu führte, dass die Kündigungen der Versicherungsverträge als wirksam angesehen wurden (OLG Hamm, Urteil vom 26.10.1990, Az. 20 U 71/90, Abruf-Nr. 96653). Auch das Landgericht Berlin entschied, dass eine Rückweisung der Kündigung einer Gebäudeversicherung vier Tage nach Eingang nicht mehr als unverzüglich gilt (LG Berlin, Urteil vom 06.08.2002, Az. 7 S 6/02, Abruf-Nr. 220293).