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Wenn ein Versicherungsmakler im Rahmen der Schadenregulierung die korrekten Angaben seines Kunden fehlerhaft an den Versicherer weiterleitet und diese trotz der Bitte des Kunden nicht umgehend korrigiert, wird der Versicherer wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung von seiner Leistungspflicht befreit. Das arglistige Verhindern der Korrektur eines Fehlers des Versicherers wird dem Maklerkunden bzw. Versicherungsnehmer zugerechnet. Diese Entscheidung des OLG Frankfurt am Main hat haftungsrechtliche Konsequenzen für den Makler.

 

Der Fall vor dem OLG Frankfurt

Ein Kunde beauftragte seinen Versicherungsmakler mit der Abwicklung eines Schadensfalls im Rahmen seiner Wohngebäudeversicherung. Der Makler leitete die vom Kunden übermittelten Kostenvoranschläge fälschlicherweise als „bereits bezahlte Rechnungen“ via E-Mail an den Versicherer weiter. Obwohl der Kunde den Makler kurz darauf auf dessen Fehler hinwies und um eine Korrektur sowie ein Gespräch bat, erfolgte keine Reaktion.

Erst als der Versicherer den Fehler nach einigen Monaten entdeckte, erklärte der Makler, dass es sich um ein Versehen handelte. Der Versicherer akzeptierte diese Erklärung nicht und verweigerte die Versicherungsleistung aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten. Das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung (Urteil vom 07.12.2022, Az. 3 U 205/22, Abruf-Nr. 235026).

 

Leistungsfreiheit aufgrund Aufrechterhaltung eines Irrtums

Nach den geltenden Versicherungsbedingungen war der Versicherungsnehmer verpflichtet, unverzüglich alle Informationen bereitzustellen, die zur Feststellung des Leistungsumfangs des Versicherers notwendig waren. Dazu zählte auch die sofortige Korrektur irrtümlich übermittelter Angaben, da der Makler durch diese Falschangaben die Entscheidungsfindung des Versicherers beeinflusste.

Im Falle der Nichtdurchführung der Reparaturarbeiten hätte, wie im vorliegenden Fall, lediglich ein Anspruch in Höhe des Zeitwerts bestanden. Daher, so das OLG, sei der Versicherer aufgrund der arglistigen Obliegenheitsverletzung des Maklers gemäß § 28 Abs. 2 VVG bzw. Abschnitt B § 8 Ziffer 3 VGB von der Leistungspflicht befreit worden. Der Versicherungsnehmer hat in diesem Fall nicht die Möglichkeit, den Kausalitätsgegenbeweis zu erbringen (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG).

 

Versäumte Korrektur begründet Arglist

Arglist liegt nicht nur vor, wenn jemand unrechtmäßige finanzielle Vorteile anstrebt, sondern auch dann, wenn jemand einen Zweck verfolgt, der den Interessen des Versicherers widerspricht. Das OLG stellt fest, dass es ausreicht, wenn durch das Fehlverhalten des Versicherungsnehmers die Schadenregulierung des Versicherers möglicherweise beeinflusst wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer

die Schadenabwicklung beschleunigen will, einen Verdacht von sich ablenken möchte oder Schwierigkeiten bei der Feststellung seiner berechtigten oder vermeintlich berechtigten Ansprüche vermeiden möchte.

 

Fehlverhalten des Maklers wird dem Kunden zugerechnet

Da der Makler im Rahmen der Schadensabwicklung im Auftrag seines Kunden handelte, wird sein Fehlverhalten – basierend auf der Wissenszurechnung gem. § 166 BGB – dem Kunden zugerechnet.

Nach aktueller Rechtsprechung gilt als Wissenserklärungsvertreter, derjenige der vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und der Abgabe von Erklärungen beauftragt wurde. Der Makler ist daher nicht nur als Wissensvertreter tätig, sondern fungiert ferner als Erfüllungsgehilfe des Kunden. Folglich muss der Kunde die Verstöße gegen Aufklärungs- und Anzeigepflichten seines Maklers als eigene Verantwortung annehmen.

 

Darlegungspflicht liegt beim Versicherungsnehmer

Zwar obliegt dem Versicherer die Beweislast für das Vorliegen von Arglist, doch der Versicherungsnehmer hat eine sekundäre Darlegungspflicht. Das bedeutet, dass er die Gründe für die Falschangaben darlegen muss, um eine Überprüfung zu ermöglichen, ob nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die den Täuschungswillen – und die damit einhergehende Arglist – entkräften könnten. Da ein solches Vorbringen in diesem Fall fehlte, war zumindest von einem arglistigen Aufrechterhalten eines Irrtums auszugehen.

Das OLG betrachtet die vom Makler vorgebrachte Überlastung im Bereich der Schadenabwicklung nicht als ausreichenden Grund, der gegen die Annahme von Arglist spricht. Ausschlaggebend ist die Kenntnis der Falschangaben, das Unterlassen einer Korrektur und das bewusste Aufrechterhalten des Irrtums beim Versicherer.

 

Das bedeutet das Urteil für die Praxis

Übernimmt ein Makler die Vermittlung eines Versicherungsvertrags, gilt eine Reihe von Pflichten. Bestandteil dieser Pflichten sind die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens und die Einhaltung der entsprechenden Regeln und Fristen (Hinweis auf die Einhaltung von Fristen: BGH, Urteil vom 30.11.2017, Az. I ZR 143/16, Abruf-Nr. 199737).

 

Die im vorgenannten Fall durch das OLG festgestellte Arglist kann im Regressfall schwerwiegende Auswirkungen für den Makler haben. Denn die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (VSH) des Maklers ist in den meisten Fällen bei Vorliegen von Arglist ebenfalls von der Leistungspflicht befreit. Ist der Schaden nicht von der VSH abgedeckt, haftet der Makler persönlich.