Die Vermittlung eines Versicherungsvertrags geht in der Regel mit einer vorhergehenden Beratung, der Erteilung eines darauf basierenden Rats und einer anschließenden Dokumentation einher. Doch wie verhält es sich in diesem Zusammenhang bei einer Vertragsübernahme, wenn ein Vermittler einen bestehenden Vertrag, den er nicht selbst vermittelt hat, auf Wunsch des Kunden oder Versicherungsnehmers lediglich in seinen Bestand übernimmt? Sofern der Kunde nicht darauf verzichtet, muss ein Beratungsprotokoll nach einer Beratung oder nach Erteilung eines Rats erstellt werden. Dies gilt auch bei einer Vertragsübernahme, wenn die Umstände, in denen sich der Kunde befindet, eine Beratung erforderlich machen.
Grundsatz: Beratungs- und Dokumentationspflicht
Die Beratungspflichten eines Versicherungsvermittlers leiten sich aus § 61 VVG ab, und für einen Makler zusätzlich aus dem mit seinem Kunden geschlossenen Maklervertrag. Der Makler ist verpflichtet, den vom Kunden angegebenen risikobehafteten Versicherungsbedarf sowie die damit verbundenen erkennbaren Gefahren zu klären. Wichtig zu beachten ist jedoch, dass die bloße Übergabe von Versicherungsunterlagen nicht automatisch zu einer Verpflichtung des Maklers führt, die gesamte Absicherung des Kunden umfassend zu prüfen, sofern der Kunde keine weiteren Anliegen äußert (Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl., München 2022, § 61, Rz. 10).
Vertragsübernahme kann anlassbezogene Beratungspflichten begründen
Ein Versicherungsmakler ist gesetzlich verpflichtet, nicht nur bei Abschluss oder Wechsel eines Versicherungsvertrags, sondern auch bei Änderungen innerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses, wie etwa bei einem Tarifwechsel, beratend tätig zu werden. Der Kunde kann – je nach Inhalt des Maklervertrags – von dem Makler außerdem eine laufende Überwachung des Vertrags und eine Marktbeobachtung erwarten (Langheid/Rixecker, a. a. O., § 61, Rz. 11).
Besondere Regelungen im Maklervertrag können den Makler auch dazu verpflichten, bei der Übernahme von Versicherungsverträgen den bestehenden Versicherungsschutz zu überprüfen, mögliche Deckungslücken zu identifizieren und den Kunden über Verbesserungen oder notwendige Anpassungen der Policen zu informieren. Eine anlassbezogene Beratungspflicht bei einer Vertragsübernahme aus § 61 VVG ergibt sich, wenn solche Regelungen im Maklervertrag fehlen.
Hinweis: Die anlassbezogene Beratungspflicht für lediglich übernommenen Versicherungsverträge kann ein Versicherungsmakler gemäß § 67 VVG vertraglich nicht ausschließen. Die treuhänderische Pflicht des Maklers gegenüber dem Kunden erlaubt es ihm nicht, grundlegende Überprüfungen und Beratungen, die im Interesse des Kunden liegen, auszuschließen. Aus diesem Grund wäre eine vertragliche Klausel, die die wesentlichen Pflichten des Maklers einschränkt oder ausschließt, unwirksam.
Anlassbezogene Beratungspflicht ist situationsabhängig
Ob bei einer Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll erstellt werden muss, hängt von der konkreten Situation des Versicherungsnehmers ab. Die entscheidende Frage ist zunächst, ob sich die Situation des Versicherungsnehmers geändert hat und ob diese Änderung Anlass für eine spezifische Beratung gibt. Wenn dies der Fall ist, ergibt sich aus der geänderten Situation eine anlassbezogene Beratungspflicht, die auch bei der Übernahme des Vertrags besteht. In einem solchen Fall müsste der Rat, der im Rahmen der Beratung erteilt wird, dokumentiert werden. Ohne eine konkrete Fallbetrachtung ist es schwierig, allgemein zu beantworten, ob für eine Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll erforderlich ist, da die Notwendigkeit eines Protokolls stets von den spezifischen Umständen der Vertragsübernahme und den daraus resultierenden Beratungsbedürfnissen abhängt.
Beratungsprotokoll in der Praxis immer sinnvoll
Ein Beratungsprotokoll ist nicht nur zum Schutz des Kunden wichtig, da es sicherstellt, dass er umfassend über relevante Versicherungsprodukte, Deckungen und Risiken informiert wurde, sondern es schützt auch den Vermittler. Das Protokoll dokumentiert, dass der Vermittler seine Pflichten korrekt erfüllt hat. Dies ist besonders wertvoll bei späteren Missverständnissen oder Streitigkeiten, da es ermöglicht, nachzuweisen, dass der Kunde vollständig und korrekt über seine Versicherungsoptionen und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt wurde.
Bei einer Vertragsübernahme sollten Makler also immer prüfen, ob die konkrete Situation des Kunden Anlass für eine Beratung gibt. Beispielsweise könnte ein übernommener Wohngebäudevertrag, der vor langer Zeit abgeschlossen wurde, heute aufgrund geänderter Umweltbedingungen (wie Klimawandel oder Hochwassergefahren) neu bewertet werden müssen. In einem solchen Fall würde ein Beratungsanlass bestehen, und die Beratung sowie die Erteilung des Rats sollten dokumentiert werden, wie es auch bei der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrags der Fall wäre. Daher wäre auch bei einer „bloßen“ Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll notwendig.
Hinweis: Um sicherzustellen, dass alle Beratungsanlässe korrekt erfasst und dokumentiert werden, sollten Makler bei Unsicherheiten immer das Gespräch mit dem Kunden suchen und die Ergebnisse dieses Gesprächs entsprechend dokumentieren.