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Sind vorformulierte Kündigungsschreiben, die ein Versicherungsvertreter, -makler oder -berater einem (Neu-)Kunden zur Verfügung stellt erlaubt? Laut des BGH lautet die Antwort auf diese Frage „ja“, da es sich um eine legitime Dienstleistung unter Mitbewerbern handelt. Aber auch hier gibt es Ausnahmen zu beachten.

 

Grundsatz

Der BGH-Rechtsprechung zufolge darf Kündigungshilfe geleistet werden, sofern der Kunde in seiner Freiheit Entscheidungen selbstständig zu treffen nicht beeinträchtigt wird.

Aus rechtlicher Sicht gibt es keinen Anspruch auf die Fortführung eines einmal geschlossenen Vertragsverhältnisses. Selbst wenn der Kunde noch vertraglich an einen Mitbewerber gebunden ist, ist das Abwerben ein gestatteter Bestandteil des Wettbewerbs. Daher ist es wettbewerbsrechtlich unbedenklich, wenn durch einfache Hinweise auf die Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung aufmerksam gemacht wird (BGH, Urteil vom 08.11.2001, Az. I ZR 124/99).

Es ist ebenfalls erlaubt, einem vertraglich noch gebundenen Kunden ein vorbereitetes Kündigungsschreiben zur Verfügung zu stellen, welches nach Eintragung des Kündigungstermins lediglich unterschrieben werden muss. Ein durchschnittlich informierter und findiger Kunde wird durch eine solche Dienstleistung nicht unangemessen zum Abschluss eines Vertrags mit einem Mitbewerber gedrängt (BGH, Urteil vom 07.04.2005, Az. I ZR 140/02). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden ist es zudem zulässig, sich zur Übersendung des Kündigungsschreibens bevollmächtigen zu lassen. Es bestehen keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken, wenn man sich eine Vollmacht für den Empfang der Kündigungsbestätigung ausstellen lässt (OLG Dresden, Urteil vom 17.07.2015, Az. 14 U 584/15).

 

Kündigungshilfe darf keinen unlauteren Inhalt haben

Sollte bei einer ansonsten zulässigen Kündigungshilfe mit unlauteren Mitteln gearbeitet werden, gilt die mit der Kündigung verbundene Abwerbung des Kunden automatisch als wettbewerbswidrig.

Die folgenden Methoden werden als unlauter eingestuft:

  • Es wird gezielt der Zweck verfolgt, Mitbewerber in ihrer Geschäftstätigkeit zu behindern und sie dadurch vom Markt zu verdrängen,
  • Die betroffenen Mitbewerber können ihre Leistung am Markt durch eigene Bemühungen nicht mehr angemessen zur Geltung bringen (BGH, Urteil vom 22.06.2011, Az. I ZR 159/10, Abruf-Nr. 113128).

 

Beispielsweise untersagte das OLG Oldenburg einem Finanzdienstleistungsvermittler, der über Versicherungsmakler Versicherungen vermittelt, im Rahmen der Kündigungshilfe systematisch ein umfassendes Kontaktverbot einzuführen. Während die Unterstützung bei der ordnungsgemäßen Beendigung von Versicherungsverträgen grundsätzlich zulässig ist, wurde das Kontaktverbot als wettbewerbswidrig angesehen. Das Hauptziel war die gezielte Behinderung des Wettbewerbers und nicht die Förderung des eigenen Geschäfts (OLG Oldenburg, Urteil vom 28.05.2019, Az. 6 U 27/18).

Auch das OLG Dresden verbot es einer Krankenkasse, Kündigungshilfe durch die Verwendung eines vorformulierten Schreibens zu leisten, welches den Widerruf aller früheren Werbe- und Anruferlaubnisse beinhaltete. Diese Praxis untersagte der bisherigen Krankenkasse jede telefonische Kontaktaufnahme mit dem kündigenden Mitglied, noch bevor die Kündigung wirksam wurde. Eine Beeinträchtigung in dieser Form muss nicht hingenommen werden (OLG Dresden, Urteil vom 17.07.2015, Az. 14 U 584/15).

 

Praxisempfehlung

Bei der Kündigungshilfe muss immer das Thema Rechtsdienstleistung berücksichtigt werden. Erlaubt ist die Übermittlung eines Musterschreibens auf Wunsch des Kunden sowie die allgemeine Information über Vertragsdetails, wie zum Beispiel die Mitteilung von Kündigungsfristen. Es ist jedoch nicht gestattet, individuelle Ansprüche aus dem Vertrag zu prüfen, etwa die Wirksamkeit spezifischer Vertragsklauseln.

Das bedeutet, dass im Rahmen der zulässigen Kundenabwerbung Kündigungshilfe geleistet werden kann, indem man den Kunden auf die Notwendigkeit, die Frist und die Form einer Kündigung hinweist oder ihm ein vorbereites Kündigungsschreiben zukommen lässt, das er lediglich unterzeichnen muss.