1. Grundlagen: Zugang nach § 130 Abs. 1 BGB
Aus aktuellem Anlass eine Auffrischung in Sachen „Zugang von Willenserklärungen“ – im Alltagsgeschäft insbesondere relevant bei Kündigungen von Versicherungsverträgen.
Achtung: Thematisiert wird hier die Komponente „Zugang“, nicht die „Form“ der Willenserklärung. Je nach Gesellschaft und Tarifbedingung kann eine besondere Form der Kündigung („Schriftform“) vorgeschrieben sein.
Im deutschen Zivilrecht wird der Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung – wie etwa einer Kündigung – durch § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelt.
Danach wird eine Willenserklärung wirksam, sobald sie dem Empfänger zugeht, d.h. so in dessen Machtbereich gelangt, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.1
2. Bedeutung für Kündigungen
Da Kündigungen Gestaltungserklärungen sind, deren Wirksamkeit nicht vom Einverständnis des Empfängers abhängt, kommt dem Zugang besondere Bedeutung zu.
Eine Kündigung entfaltet erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs ihre Rechtswirkung – vorher ist sie rechtlich irrelevant.2
3. Übertragungswege und Zugang
Der Zugang hängt vom gewählten Übertragungsweg ab:
- Brief: Einwurf in den Briefkasten; Zugang bei nächstmöglicher Leerung
- Einschreiben: Zugang bei tatsächlicher Übergabe oder Benachrichtigung
- Fax: Zugang bei vollständigem Ausdruck im Faxgerät des Empfängers3
- E-Mail: Zugang bei Abrufbarkeit im Postfach und üblicher Kenntnisnahme
- Bote: Zugang bei Übergabe oder Einwurf durch den Boten
4. Die Zugangslehre und der Faktor „Geschäftszeit“
Die sogenannte Zugangslehre betrachtet, wann der Zugang als bewirkt gilt – vor allem bei Kommunikationsmitteln wie Fax.
a) Innerhalb der Geschäftszeiten
Geht eine Erklärung innerhalb der üblichen Geschäftszeiten (z. B. 8–17 Uhr) zu, wird sofortiger Zugang angenommen.
b) Außerhalb der Geschäftszeiten
Erfolgt der Zugang außerhalb der Geschäftszeiten, tritt der Zugang erst mit Beginn des nächsten Werktags ein, da erst dann mit Kenntnisnahme gerechnet werden kann.4
5. Beispiele – Zugang einer Kündigung per Fax
Beispiel 1: Fax innerhalb der Geschäftszeit
Die Kündigung wird am Montag um 14:00 Uhr per Fax gesendet.
Das Faxgerät druckt das Dokument aus.
Zugang: Sofort – da es innerhalb der Geschäftszeit erfolgte.
Beispiel 2: Fax außerhalb der Geschäftszeit
Die Kündigung wird am Freitag um 22:00 Uhr per Fax gesendet.
Das Gerät druckt das Schreiben noch am selben Abend.
Zugang: Erst am Montag um 8:00 Uhr – da erst dann mit Kenntnisnahme gerechnet werden kann.
6. Fazit
Die Wahl des Zeitpunkts und Übertragungswegs ist in der Praxis entscheidend. Für Kündigungen empfiehlt sich ein nachweisbarer Zugang durch Boten oder Einschreiben.